Börsenhandel und Infrastruktur
Mit der Begeisterung für Technologie veränderte sich auch die Infrastruktur. Noch während der Abiturzeit hatte ich Gelegenheit, ersten Kontakt mit dem World Wide Web an der naheliegenden Universität zu erlangen – eine gänzlich andere Welt öffnete sich! Nicht nur die Geschwindigkeit der Kursveränderungen und die grafische Darstellung faszinierte mich, sondern auch die vielen Informationen zu den Märkten und Einzeltiteln. Vorbei schien die Zeit, in der man sich einen Wecker zur Telebörse-Zeit stellte und hoffte, dass Markus Koch ein paar Worte zur „eigenen“ Aktie äußerte.
Ein Modem war schnell gekauft und am heimischen Computer angeschlossen. Die Übertragungsgeschwindigkeit im Internet lies verzweifeln, war aber gefühlsmäßig nicht so gravierend wie die Rechnung am Monatsende. Auch die Methode einer schnellen Einwahl, Aktualisierung mehrerer Fenster und späteres Lesen im Offline-Betrieb verursachten hohe Kosten. Wenigstens konnte ich die Transaktionskosten durch die Eröffnung eines Depots bei einem Onlinebroker erheblich senken. Der Börsenhandel faszinierte mich dadurch noch mehr.
Daytrading im Börsenhandel
Erst durch ein Konto bei einem Onlinebroker und der damit verbunden Möglichkeit, innerhalb von Minuten eine Position zu eröffnen und wieder zu verkaufen, konnte man per Definition im Börsenhandel vom Daytrading sprechen. Dies birgt mit Sicherheit Suchtpotential in sich und baut einen inneren Druck auf, jede Marktbewegung handeln zu wollen. Dabei verrennt man sich zwangsläufig und merkt frühestens am Abend oder nach der Sichtung seiner Aufzeichnungen (idealerweise im Trading-Tagebuch) wie uneffektiv diese Art des Handels per Saldo ist. Zudem verursacht es in der Summe erneut hohe Transaktionskosten. Spätestens als der Postbote mir den so genannten „Sammelversand“ der Abrechnungen in einem großen Packet vor die Tür stellte, wurde mir dies richtig bewusst. Meinen Broker freute dies natürlich und er teilte mir diese Freude über meinen umsatzstarken Börsenhandel durch attraktivere Konditionen und einige Vergünstigungen mit.
Top-Trader der comdirect Bank AG
Als Dankeschön für die vielen Umsätze gibt es jährlich für die umsatzstärksten Kunden im Börsenhandel eine spezielle Veranstaltung. Hierzu wurde ich in Frankfurt zur Börsenbesichtigung mit anschließender Gesprächsrunde mit einigen Händlern sowie adäquatem Abendprogramm eingeladen. Das persönliche Fachgespräch mit anderen Tradern bot für alle Teilnehmer eine tolle Gelegenheit zum Austausch über Vorgehensweisen und Erfahrungswerte. Daraus entstanden teilweise bis heute beständig gepflegte Kontakte. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich zwei Jahre später erneut zu diesem Event eingeladen wurde und zu meiner Überraschung auch zwei bekannte Kollegen treffen durfte. Als Highlight wurde eine Führung durch den größten Handelssaal Europas angeführt, welcher auf der Fläche von 1,5 Fußballfeldern über 400 Händlerarbeitsplätze bietet.
Studium und Börsenhandel
„Die Studienzeit ist die schönste Zeit im Leben“ wird oftmals von älteren Menschen geäußert. Diese Aussage kann ich pauschal so nicht bestätigen. Einige Vorlesungen verlies ich beispielsweise leicht gehetzt vor dem Ende, um einen Platz im hinteren Bereich des Computerkabinettes zu erlangen, um dort auf fest datierte Wirtschaftsdaten reagieren zu können. Eine innere Unruhe, wenn die eingegangene Position sich wenig bewegte und schon die nächste Vorlesung begann, schwebte permanent mit. Man strich selbständig einige Vorlesungen am Abend und nutzte die vorlesungsfreie Zeit für den intensiveren Handel. Mein Lernweg zielte somit nicht ausschließlich in Richtung Abschluss. Wozu auch die Theorie lernen wenn man so nah an der Praxis, dem Puls der Wirtschaft sein konnte? Der Spagat zwischen Börsenhandel und Studium war nicht leicht zu finden.
Diese Einstellung führte nicht geradewegs zu überdurchschnittlichen Benotungen und für einige finanzaffine Kommilitonen leider bis zur Exmatrikulation. Ich schaffte den Gleichlauf zwischen Leistungsdruck an der Uni und innerem Interesse an der Börse dennoch. Durch mehrere Praktika in der Finanzmetropole Frankfurt am Main erlangte ich den Ansporn, ein Diplom für die spätere berufliche Zukunft vorweisen zu können.
Das Fundament an Wissen mit Bezug zur selbst erfahrenen Praxis an den Finanzmärkten erlangte ich im Rahmen des Hauptstudienkomplex Finanzwirtschaft. Darin setzte ich mich wissenschaftlich mit dem (aktuell kontrovers diskutierten) Thema Kreditderivate auseinander. Im weiteren Verlauf konnte ich meinen Professor davon überzeugen, ein abstraktes aber spannendes Thema zur Diplomarbeit einzureichen, welches sich mit dem Handel von Volatilitäten in Theorie und Praxis auseinander setzte. Mit meinem ehemaligen Lehrstuhl stehe ich auch heute noch in Kontakt.
Daytrading als Beruf?
Anders als einige meiner Kommilitonen spürte ich nicht den Druck in mir, bereits parallel zur Diplomarbeit diverse Jobbörsen nach adäquaten Stellen zu filtern. Durch den sehr intensiv praktizierten Börsenhandel hatte ich mir rein finanziell die Freiheit geschaffen, mich nicht umgehend als Absolvent bei einem Unternehmen bewerben zu müssen. So konnte ich stolz von mir behaupten „Ich bin ein Vollzeit-Trader“.
Ob dies für mich wirklich die Erfüllung darstellte, wird im Artikel Tradingphilosophie analysiert. Dieser soll zum Nachdenken anregen und für einen objektiven Blick sorgen. Für den Blick auf alle Bereiche meiner bisherigen Karriere steht die Oberkategorie Andreas Mueller zur Verfügung.
Bernecker1977 – Andreas Mueller