Am Dienstag war es nun soweit. Das Unternehmen Spotify ist für Aktionäre an der Börse handelbar. Dieser IPO (oder genauer: DPO) war im Vorfeld mit Spannung erwartet worden, aber nicht wie üblich stark beworben. Woran lag dies und wie entwickelte sich die Erfolgsgeschichte Spotify bis zu diesem Schritt? Einen Einblick dazu gibt folgende Analyse.
Börsengang von Spotify kann überzeugen
Ein seltener Anblick war es schon, die Flagge der Schweiz vor der Wall Street hängen zu sehen. Doch dies war nur eine Verwechslung. Denn Spotify ist ein schwedisches Unternehmen und bekam kurze Zeit später dann die richtige Begrüßungszeremonie. Die New York Stock Exchange selbst nahm dies mit Humor auf und twitterte sinngemäß:
„Wir hoffen, jeder hat unseren kurzen Lobgesang auf unsere neutrale Rolle bei der Preisgestaltung an diesem Morgen genossen.“
Der Fauxpass blieb natürlich nicht unentdeckt und wurde gleich von der ARD-Twitter-Redaktion hier bildlich und textlich sehr gut aufgegriffen:
Ob genau deswegen der erst 35-jährige Chef von Spotify Daniel Ek auf das Läuten der Eröffnungsglocke am Parkett verzichtete, wurde nicht bekannt. Der Börsengang war dennoch bisher ein voller Erfolg! Denn die Aktien beendeten den ersten Handelstag mit einem Kursplus von 13 Prozent bei 149 US-Dollar. Damit ist das Unternehmen etwa 30 Milliarden US-Dollar wert bei einem Jahresumsatz von 5 Milliarden US-Dollar. Ist dies attraktiv?
Geschichte von Spotify
Spotify ist aktuell der größte Musikstreaming-Dienst mit 157 Millionen Nutzern. Davon zählen 71 Millionen Nutzer als Abonnenten und sind somit zahlende Kunden des Unternehmens. Es existiert übrigens schon seit dem Jahr 2006 und hat damit die Zeit der illegalen Musikdownloads noch miterlebt. Damals konnte man sich vielleicht gar nicht vorstellen, für Musik Geld zu bezahlen. Doch das Konzept überzeugte mit Einfachheit und nutzte die technischen Möglichkeiten des iPhones ab 2007 voll aus. Einmal angelegte Playlisten sind mittels Zwischenspeicherung auf mehreren Geräten nutzbar und das System macht ständig neue Vorschläge auf Basis der eigenen Suche, welche Musik dem Nutzer ebenfalls gefallen könnte. Neben Musik gibt es zudem eine Menge Hörbücher, Podcasts und vermehrt auch Videos. In Summe beläuft sich die Datenbank auf mehr als 35 Millionen Tracks. Streaming ist daher viel wichtiger geworden, als der eigentliche Download von digitalen Dateien. Dies zeigt auch die Grafik von recode (zur Quelle) an:
Die Investmentbank Goldman Sachs rechnet bis zum Jahr 2030 sogar mit einem Marktvolumen von 28 Milliarden Dollar, wie man im Forbes Magazine schon im Februar lesen konnte. Dennoch wurde für den Börsengang keine große Werbung gemacht. Warum?
Spotify IPO ist ein DPO
Bei einem Börsengang wird immer von einer Finanzierung des Unternehmens ausgegangen. Doch bei Spotify war es anders. Hier gab es weder eine Zeichnungsfrist noch einen Ausgabepreis. Die erste Notierung war ein so genannter Referenzpreis, welcher im Vorfeld nach Angebot und Nachfrage festgelegt wurde und sich bei 132 Dollar befand. Er orientierte sich an im Vorfeld geschlossenen Transaktionen. Somit war es für die Anteilseigner ein gewisses Risiko, zu welchem Kurs die Aktie letztlich an der Wall Street notieren wird.
Die Spotify-Aktie schloss, wie eingangs geschrieben, mit einem Kursplus von 13 Prozent am ersten Handelstag bei 149 Dollar. Im Hoch waren knapp 170 Dollar erreicht worden. Rund 91% der Aktien des Unternehmens waren somit auf einmal an der Börse handelbar, was eine sehr hohe Free-Float-Quote ist. Insgesamt gibt es bei Spotify 178 Millionen Anteilsscheine, von denen die beiden Gründer Daniel Ek und Martin Lorentzon etwa 40% selbst halten. Auch anders als bei einem IPO (initial public offering) wurde hier beim DPO (direct public offering) kein Kapital in die Kasse des Unternehmens gespült. Das erklärt letztlich auch den Verzicht auf bekannte Marketing-Aktionen im Vorfeld, welche hier nur für Kosten gesorgt hätten.
Wachstum versus Kosten
Das Wachstum auf diese hohen Nutzerzahlen wurde mit erheblichem Kapital erkauft. Das Unternehmen war seit der Gründung im Jahr 2006 noch nie profitabel. An Kapital wurden jedoch in den letzten 12 Jahren mehr als eine Milliarde Dollar in mehreren Finanzierungsrunden benötigt. Damit einher schrumpften aber nicht die Kosten, so dass der operativ ansteigende Verlust von 461,3 Millionen US-Dollar aus dem letzten Geschäftsjahr erst einmal stark belastet. Solange die Erfolgsgeschichte Spotify und die damit verbundene Euphorie anhalten mag, ist dies sicher kein Problem. Doch bei einer Schwächephase oder sich abschwächendem Wachstum könnten hier eine ähnliche Spirale wie bei Twitter oder SNAP einsetzen.
Immerhin stieg der Umsatz von 2016 auf 2017 von 2.852 Millionen auf 4.090 Millionen Dollar. Weitere Zahlen dazu findet man auf Statista ausführlich mit Diagrammen.
Die Erträge pro Nutzer sinken jedoch. Von den 10 Euro Abogebühr pro Monat bleiben aktuell nur noch 5,24 Euro dem Unternehmen zur Verfügung. Diese Entwicklung ist sicherlich nicht ungefährlich und wurde hier von „Die Zeit“ einmal kritisch beleuchtet.
Entwicklung der Streamingbranche und Ausblick
Man darf hierbei jedoch nicht die Konkurrenz aus den Augen verlieren. Denn bei mehr als 400 Streamingdiensten ist der Markt trotz gutem Wachstum heiß umkämpft. Auf Spotifys Fersen ist bereite Apple Music mit 38 Millionen zahlenden Nutzern und direkt dahinter der Dienst von Amazon Music Unlimited mit 16 Millionen Nutzern. Rund 80 Prozent des Marktes werden dabei von den drei großen Musiklabels dominiert. Geht diese Rechnung auf?
Fakt ist, dass auch Spotify für jeden abgespielten Track eine (wenn auch kleine) Pauschale an den Musikrechteinhaber zahlen muss. Dieser Betrag ist in Summe höher, als die Aboeinnahmen der zahlenden Kunden und der Verkauf von Werbung an die kostenfreien Nutzer des Unternehmens. Die genannte Umsatzerhöhung wurde letztlich auch mit einem massiven Anstieg der Kosten (von 539 Millionen Euro in 2016 auf 1,2 Milliarden Euro in 2017) erkauft. Dabei schlagen vor allem auch die Finanzierungskosten mit 974 Millionen Euro zu Buche. Ein gefährlicher Trend!
Fazit zu den Zukunftsaussichten
Für die Nutzer ist dies alles vielleicht nicht so wichtig. Immerhin haben die meisten Menschen heute ein Smartphone oder können Spotify auch über die Dienste „Google Home“ oder „Amazon Echo“ zu Hause ausgiebig nutzen. Die Firma ist jedoch immer von anderen technischen Geräten abhängig. Im Falle von Apple ist dabei der Gegenwind deutlich spürbar, denn Apple möchte sich keine direkte Konkurrenz zum eigenen Dienst „Apple Music“ ins Haus holen und sperrt daher Spotify auf dem HomePod einfach aus.
Wir werden sehen was passiert, wenn die aktuelle Zielgruppe von Spotify – die 18 bis 34-jährigen – älter werden und nicht mehr den ganzen Tag Musik hören wollen oder andere Dienste vermehrt nutzen, die zwar nicht so hipp, aber mit einer Marktmacht versehen in die Wohnzimmer drängen. Dann könnte die Erfolgsgeschichte Spotify an Fahrt verlieren.
Die Aktie halte ich auf dem aktuellen Niveau auf jeden Fall für einen Watchlist-Kandidaten. Eine erste Historie und die Zahlen im Sommer möchte ich jedoch für die Beurteilung eines Engagements noch abwarten. Gerne halte ich Sie zu diesem Wert und anderen spannenden Ideen auf dem Laufenden. Der Aktienkurs bewegte sich gestern übrigens leicht im Minus.
Sie finden ihn an dieser Stelle auf finanztreff.de zur Beobachtung.
Viel Erfolg an dieser Stelle – Ihr Andreas Mueller (Bernecker1977)